365 Tage Namibia

Julian | Namibia

Die letzte Woche vor meiner Abreise nach Namibia war noch einmal Berlin pur.

Nach den letzten Impfungen die deutschen Sonnenstrahlen im Park am Gesundbrunnen mit meiner Cousine genießen.
Mit den Jungs ein bayrisches Bierchen im Golgatha am Kreuzberg trinken. Auf dem Dach mit Linus jammen. Ein organisiertes Fußballspiel gegen die ‚rivalisierte‘ Nachbarschule, das Rheingau Gymnasium. Im Billiadär, nahe Kleistpark, einige Partien Billiard.
Den endgültigen Abschluss fanden wir im ‚Suicide Circus‘, einem Club nahe der Warschauer Straße.
Ich genoss jede Minute in dem Wissen, dies ein Jahr zu missen.

Für die Verabschiedung von Familie, Freunden und Nachbarn organisierten meine Eltern ein Abschiedsfest, bei dem ich den Spendern  persönlich noch einmal danken und letzte offene Fragen klären konnte.

Mit dem Zug nach Frankfurt am Main. Sonntag Morgen, der 03.09.2017.

Nach fast einem  Jahr mentaler Vorbereitung, kam mir der Tag sehr unwirklich vor.  Ein letztes deutsches Bier, ein Nachtstopp in Doha und Morgenkaffee in Windhoek.
Am namibischen Flughafen hieß es dann erstmal Geld abheben und SIM Karte besorgen.  Ich merkte schnell, dass hier das Mobile Netz wesentlich besser ausgebaut ist als in Deutschland. Dies liegt an den wenigen Festnetzanschlüssen.
Die Fahrt vom Flughafen zum Hostel war schon eine kleine Safari, wir sahen Warzenschweine, Antilopen und Paviane.
Während der fünftägigen Orientierungstage wurde mein Wissen über das Land vertieft und eine in der DDR aufgewachsene Namibierin, namens Naitha Hishoono, verwies des Öfteren auf die enge Verbindung zwischen Deutscher- und Namibischer Geschichte.  Ihre Eltern waren Mitglieder der SWAPO, einer ehemals kommunistischen Partei.
Zur Zeit des kalten Krieges war Namibia Südafrikani-

Logo der SWAPO

offizielles Logo der SWAPO Partei

sches Staatsgebiet und da Südafrika westlich geprägt war wurde diese Partei verboten. Aus diesem Grund flüchtete Naitha, genauso wie viele hundert andere Familien aus Namibia in die DDR.  Heutzutage ist die Partei liberal gemäßigt und besitzt die absolute Mehrheit im Parlament.

In Windhoek hatten wir auch die Möglichkeit, das im ganzen Land bekannte ‚Kapana‘ auf einem Open Market im Stadtviertel Katutura zu testen.
Um dort hinzugelangen liefen wir durch eines der ärmeren Viertel der Stadt. Die 17 Rotkreuzfreiwilligen aus Deutschland waren für kurze Zeit die Hauptattraktion von Katutura. Diese Art angeschaut zu werden kannte ich bisher nur aus der Perspektive vor dem Fernseher, nun fühlte es sich an, als wäre ich Hauptfigur in meinem eigenen Film.

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Kapana auf dem Open Market in Katutura

Auf dem Open Market erwarteten uns offene Kuhhälften, denn ‚Kapana‘ bedeuted gegrilltes Rind über dem offenen Feuer. Man zahlt 10 N$ (Umrechnungskurs 1:15,8) und bekommt dafür ca. 150g gegrilltes Rind.
Die in mundgerecht geschnittenen Stücke taucht man dann in ein scharfes ‚Kapana‘ Gewürz oder in getrocknete Chillischotenkerne, was zu einem Tränenausbruch führen kann.
Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch im Goethe Institut. Beim Trinken einer hausgemachten Limonade wurde uns aus der Sicht eines Deutschen das Leben in Namibia erzählt. So bekam ich einen kleinen Vorgeschmack, was mich in der Einsatzstelle erwarten könnte. Im Anschluss  an dieses Treffen machten wir eine Visite beim Independence Museum.

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Denkmal von Sam Nujoma und Independence Museum im Hintergrund

Für das Unabhängigkeits-Gedenkmuseum Museums wurde ein Gebäude gebaut, welches einer Kaffeemaschiene ähnelt und als Wahrzeichen Windhoeks angesehen wird.
Vor dem Gebäude steht ein Bronzedenkmal für Sam Nujoma, der ab dem Unabhängigkeitstag am 21. März 1990 für fünfzehn Jahre Präsident der Republik Namibia war. Er trägt den weit verbreiteten Titel: ‚Vaters der Nation‘.
Die Aufarbeitung seit der Unabhängigkeit hat erst in den letzten Jahren angefangen und geht sehr schleppend voran, was erklärt, warum Staßennamen, wie Bismarckstraße gängig sind. Auch eine Stadt im Südwesten des Landes ist nach dem Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz benannt, der die Deutsche Kolonisation in Gang setzte.
Nach und nach werden Namen von Straßen und Städte in lokale namibische Sprache umbenannt.

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Blick vom Independence Museum auf Windhoek

Den Abschluss der Orientation Days fanden wir im Warehouse Theater, bei einem Auftritt von einem bekannten namibischen Komedian. Er scherzte unter anderem über den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma oder über europäische Frauen.
Danach ging es mit dem Taxi, ebenfalls für 10N$, zurück ins Hostel. Dort genossen wir, mit Bar und Pool,  den vorerst letzten gemeinsamen Abend als vollständige Namibia Truppe.

Mit dem Bus nach Katima Mulilo. Freitag Mittag, der 08.09.2017.

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Busfahrt nach Katima Mulilo

Vor dem Einsteigen in den Bus sahen wir noch, wie am Motor herumgeschraubt und die Klimaanlage überprüft wurde. Aus den 40° im Bus ließ sich schließen, dass das mit der Klimaanlagen nicht ganz so einfach ist.
Der Motor hielt die 16 stündige Fahrt jedoch durch.
Die Landschaft änderte sich schlagartig, während man in Windhoek das Gefühl hatte von Hügeln umgeben zu sein suchte man auf der Fahrt gen Norden nach der kleinsten Erhebung.
Es war ein unwirkliches Gefühl mit dem scheppernden Bus ewig lange gerade Straßen durch eine sternenklare Nacht zu fahren, wobei uns der Vollmond den Weg leuchtete und die Silhouetten der namibischen Bäume uns wie Geister begleiteten.

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Straße vor dem Haus

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Unser Haus mit Sandgarten

Angekommen in Katima hat uns unser namibischer Mitbewohner Luwi abgeholt. Mit ihm und meiner Mitfreiwilligen, namens Lena, bewohnen wir ein einstöckiges Haus.
Um das Haus befindet sich ein Garten, welcher vielmehr ein Sandkasten ist. Es gibt hier auch keinen Bürgersteig, man läuft einfach wie am Strand auf Sand.

Bezüglich unserer Einsatzstelle beim Namibischen Roten Kreuz wurden wir vorgwarnt, dass wir selber aktiv werden müssen damit wir etwas sinnvolles in dem Jahr zu tun haben.
Dies bestätigte sich bei Lenas und meinem ersten Arbeitstag vor zwei Tagen. Unsere Vorfreiwilligen haben uns leider keine angefangenen Projekte hinterlassen, welche wir weiterführen können.
Bei einem Gespräch mit unserer Vorgesetzten, legten wir unsere Ideen bezüglich Erste Hilfe Projekte und grundlegender Hygiene Vermittlung an Schulen dar. Wir einigten uns darauf diese Woche als Vorbereitung zu nutzen und nächste Woche an den ersten Schulen anzufangen. Bei der Durchführung der Projekte werden wir von drei Rot Kreuz Freiwilligen unterstützt, die in Katima leben.
Ich genieße die namibische Zurückgelehntheit und bin gespannt auf die kommende Zeit.

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Sonnenuntergang vom Haus aus

5 Gedanken zu “365 Tage Namibia

  1. Lieber Julian, das ist ein super geschriebener Blog, lustig, unterhaltsam und exotisch! Freue mich schon auf die nächste Folge!
    Viva Afrika,
    Dein Alexander

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  2. Deine ersten Eindrücke und Reisebeschreibungen lese ich sehr interessiert und bin zugleich beruhigt. Das Land ist schon auf dem Weg in die „Moderne“. Und du trägst mit deiner Mitarbeit dazu bei. Die afrikanisch geprägte Musik wird auch für dich eine Bereicherung sein.

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  3. Servus Julian, es ist für mich faszinierend, Deine Eindrücke und Erlebnisse von Dir erzählt zu bekommen. Dein Stil zu schreiben ist auch sehr lesenswert. Weiter so, ich freue mich jedes mal über einen neuen Blog von Dir.
    Wolfgang.

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  4. Lieber Julian, vielen Dank für deine neue Mail – mit Musik! Wenn du dich so weiterentwickelst, wird aus dir einmal ein großer Bluesgitarrist. Hat mich sehr beeindruckt. Schön, dass dir die alte Höfner Gitarre Freude bereitet. Ich spiele hin und wieder auf meiner neuen Gretsch „Electromatic“ und dem famosen kleinen Verstärker; aber halt so für mich, improvisiere so vor mich hin – aber lange nicht so gut wie du. Manchmal spiele ich mit der Marion zusammen, sie spielt am Klavier.
    Ansonsten geht es mir gut und Weihnachten steht vor der Tür. Hl. Abend bin ich und Marion bei ihrer Schwester Ingrid eingeladen und am zweiten Feiertag ich bei der Marion. Jetzt am Wochenende 8. bis 11.12. haben mich Petra und Oliver nach Berlin eingeladen (Jazzkonzert).
    Ich wünsche dir weiterhin viel Freude und eine gute Zeit – vor allem auch bei der geplanten Campingreise durch Namibia.
    Viele Grüße, Wolfgang.

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